Der Fall
Das kann in den besten “Familien” passieren – Mann trennt sich freiwillig und verläßt die Unternehmergesellschaft UG (haftungsbeschränkt)!
Immer wieder kommt es vor, dass manche Gesellschafter nicht mehr Teil einer Unternehmergesellschaft UG (haftungsbeschränkt) sein wollen.
Es ist die Rede von Gesellschafter-Austritt, Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses, Einziehung des Gesellschaftsanteils und weiteren Varianten.
Die Motive hierfür können unterschiedlich sein, z.B. dass man den Wert des Anteils in Geld realisieren, sich zur Ruhe setzen oder einfach nicht mehr sehen will.
Das Mikro-Problem
Aber wie geht das überhaupt, dass jemand freiwillig ausscheidet? Was muss man alles beachten und welche Schritte sollte man unterscheiden?
Die Lösung
Gehen Sie mit mir die 10 Schritte zur “Verabschiedung” eines Mitgesellschafters Ihrer UG (haftungsbeschränkt)!
Schritt 1: Klären Sie, welcher der 3 möglichen Grund-Alternativen vorliegt!
Der Austritt aus einer UG kann u.a. aus verschiedenen Gründen erfolgen, die alle sehr unterschiedliche Rechtsfolgen haben:
Gesetzliche Möglichkeit – Alternative 1 der Übertragung
- Veräußerung an Dritte oder Übertragung auf andere Mitgesellschafter in notarieller Form, § 15 GmbHG, sog. Grundsatz der freien Übertragbarkeit (Fungibilität von Gesellschaftsanteilen),
- In Verbindung mit einer Zustimmung durch die anderen Gesellschafter, die im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden sein kann, sog. Ausnahme der Vinkulierung (ist sehr häufig der Fall)
Vertragliche Möglichkeiten – Alternative 2 der Kündigung
- Im Gesellschaftsvertrag kann außerdem die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses durch den ausscheidenden Gesellschafter vorgesehen sein
- wobei dieses dann mit dem Beschluss der verbleibenden Gesellschafter gekoppelt wird, die UG weiterfortzuführen,
Dann gibt es noch den nicht so einfachen und unschöneren Ausschluss aus wichtigem Grund – Alternative 3
- B. der Verbleib für den Gesellschafter unzumutbar etwa wegen dauerhafter Störung des gesellschaftsrechtlichen Dauerverhältnisses, z.B. keine Kommunikation mehr aufgrund von Beleidigungen, zwischenmenschlichen Spannungen möglich ist.
- Der wichtige Grund muss aber evtl. im Streitfalle vor Gericht nachgewiesen werden und wird nur unter strengen Voraussetzungen angenommen, Ultima-Ratio-Prinzip (nur wenn keine anderen, weniger belastenden Mittel und Wege zur Verfügung stehen).
- Dann kann z.B. im Wege der Ausschlussklage der Gesellschaftsanteil eingezogen und der scheidende Gesellschafter abgefunden werden
Als weitere Möglichkeit besteht auch die Beendigung der gesamten Gesellschaft –
Alternative 4
Dabei kommt es dann zur Zerschlagung des betrieblichen Vermögens und Auszahlung von Werten an die Gesellschafter sowie Lösung der Gesellschaft im Handelsregister.
Im Folgenden wird angenommen, dass eine Kündigung im Gesellschaftsvertrag vorgesehen und damit ein freiwilliger Austritt gegeben ist.
Schritt 2: Ausspruch der Kündigung durch den Gesellschafter
Der Gesellschafter, der aus der UG austreten möchte muss dieses durch ausdrückliche Willenerklärung kundtun.
Nicht ausreichend ist es, dass sein Nicht-Weiter-Machen stillschweigend zeigt,
- B. in dem er einfach nicht mehr die Gesellschaft finanziell unterstützt bzw.
- nicht mehr zu den Gesellschafterversammlungen erscheint
Schritt 3: Beachtung einer Frist und eines Termins
In manchen Gesellschaftsverträgen finden sich Regelungen,
- wie lange die Frist zur Kündigung ist, z.B. 6 Monate und
- zu welchem Datum die Kündigung möglich ist, z.B. zum Ende des Geschäftsjahres
- wenn nicht ein zeitweiser Aussschluss einer Kündigung für eine bestimmte Zeit gegeben ist, z.B. erstmals zum Ende des 2. Geschäftsjahres
Schritt 4: Form der Kündigung
Im Gesellschaftsvertrag wird regelmäßig eine besondere Form des Austritts durch Kündigung geregelt:
- B. durch eingeschriebenen Brief
- gerichtet an die Mitgesellschafter und die Geschäftsführung
- für die Einhaltung der Frist ist der Zugang des Kündigungsschreibens bei der Geschäftsführung entscheidend
Schritt 5: Antwort der Geschäftsführung
Im Gesellschaftsvertrag wird regelmäßig das Verhalten der UG bzw. der Geschäftsführung nach einer Kündigung wie folgend geregelt:
- B. dass die Geschäftsführung innerhalb von 4 Wochen nach Zugang
- durch Rundbrief an alle übrigen Gesellschafter
- den Eingang der Kündigung mitteilen muss
Schritt 6: Verhalten der verbleibenden Gesellschafter
Im Gesellschaftsvertrag werden regelmäßig Alternativen nach einer Kündigung wie folgend geregelt:
- B. entweder Auflösung der Gesellschaft oder
- wenn die verbleibenden Gesellschafter das vorsehen, eine Fortsetzung der Gesellschaft
Schritt 7: Abtretung nach Fortführung der Gesellschaft
Wird die Gesellschaft fortgeführt, dann wird der übrigbleibende Gesellschaftsanteil wie folgend behandelt
- Abtretung als Ganzes an einen verbleibenden Mitgesellschafter
- Aufteilung auf mehrere verbleibende Mitgesellschafter
Schritt 8: Vorgehensweise in der Gesellschafterversammlung
In einer Gesellschafterversammlung ist über den abzutretenden Gesellschaftsanteil des verlassenden Gesellschafters wie folgend zu verfahren:
- Die Geschäftsführung beruft alle Gesellschafter zu einer Gesellschafterversammlung ein.
- Bei der Beschlussfassung hat der ausscheidende Gesellschafter kein Recht auf Abgabe einer Stimme.
- Die verbleibenden Gesellschafter beschließen die Übernahme des Gesellschaftsanteils und
- die Fortsetzung der Gesellschaft, sog. Fortsetzungsbeschluss
Schritt 9: Feststellung des Abfindungsbetrages
Entsprechend den Regelungen des Gesellschaftsvertrages ist nach der Übertragung des Gesellschaftsanteils die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters festzulegen, die z.B. wie Folgend aussehen könnte:
- Die Abfindung entspricht der Beteiligungsquote des ausscheidenden Gesellschafters gemessen am Stammkapital der Gesellschaft, z.B. bei 4 Gesellschaftern also 25 %.
- Die Gesellschafter müssen sich zunächst über den Wert des Unternehmens einigen, z.B. 4000 Euro.
- Der ausscheidende Gesellschafter erhält sodann als Abfindungsguthaben seinen Anteil am Unternehmen zumeist in einzelnen Raten, um die Liquidtät des Unternehmens nicht zu sehr zu belasten, z.B. 1000 Euro in 3 Raten, d.h. 333,33 Euro.
- Eine vorzeitige Zahlung ist auch möglich, d.h. 1000 Euro auf einen Schlag.
Schritt 10: Einreichung einer berichtigten, notariell beglaubigten Gesellschafterliste über den Notar beim Amtsgericht
Letztlich ist dann eine berichtigte Gesellschafterliste durch die Gesellschaft über einen Notar beim Amtsgericht einzureichen.
- Gesellschafterlisten werden elektronisch übertragen, nachdem ein Notar die Echtheit der Unterschrift des Geschäftsführers der UG beglaubigt hat.
- Tipp: Diese Liste kann man selbst erstellen, was Notarkosten spart: Nach dem Kostenverzeichnis des Notarkostengesetzes (GNotKG) kostet die erstmalige Erstellung mindestens 96 Euro und der Gesellschafterwechsel mindestens 62,50 Euro. Geld, das man sich sparen kann, wenn man diese Liste selbst anfertigt.
- Achtung: Um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu bekämpfen hat das Bundesministerium der Justiz eine EU-Richtlinie mit den seit 05.10.2017 geltenden Detailregelungen umgesetzt.
- Danach sind z.B. Angaben der prozentuellen Beteiligung der Gesellschafter und detailliertere Angaben zu Gesellschaften als Anteilseigner zu machen.
http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2017/02/2017-02-22-pm-eu-geldwaescherichtlinie.html?pk_campaign=Newsletter-02.2017&pk_kwd=22.02.2017_Bundesregierung+st%C3%A4rkt+den+Kampf+gegen+Geldw%C3%A4sche+und+Terrorismusfinanzierung
- Dabei wird es nun hohe Bußgelder für die geben, die Mitteilung unterlassen oder falsch abgeben: bis zu 100.000 Euro
- Ein elektronisches Transparenzregister verpflichet Unternehmen, mehr Informationen preiszugeben und dauerhaft abrufbar zu machen, vgl. die Hinweise der IHK Berlin:
https://www.ihk-berlin.de/blob/bihk24/Service-und-Beratung/recht_und_steuern/downloads/3820644/de39eb60cfbfd381eab8abea039405b7/Transparenzregister-data.pdf
Zusammenfassung:
Sachverhalt
- Problem des Ausscheidens von Gesellschaftern einer UG
- Alternative 1: Übertragung des Gesellschaftsanteils
- Alternative 2: Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses des Ausscheidenden
- Alternative 3: Ausschluss aus wichtigem Grund
- Alternative 4: Beendigung der Gesellschaft
Begriffe
Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen, sog. Fungibiliät
- Gesellschaftsanteile der UG können an Dritte oder Mitgesellschafter übertragen werden
- Ausnahme der Vinkulierung
- h. Zustimmungserfordernis bei einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen
Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses
- Austritt eines Gesellschafters durch Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft bzw. deren Geschäftsführung
Austritt aus wichtigem Grund
- bei Vorliegen von Unzumutbarkeitsgründen und fehlender weniger belastender Mittel kann ein Ausschluss im Wege der Klage erreicht werden
Vorschriften
15 GmbhG
- Übertragung von Gesellschaftsanteilen
- https://www.gesetze-im-internet.de/gmbhg/__15.html
40 GmbHG
- Liste der Gesellschafter
- https://www.gesetze-im-internet.de/gmbhg/__40.html
Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie
- Enthält u.a. erweiterte Vorgaben für die Gesellschafterliste
Beteiligte
Ausscheidender Gesellschafter
- muss z.B. Kündigung aussprechen, will (hohe) Abfindung
Verbleibende Gesellschafter
- müssen bei Regelung im Gesellschaftsvertrag Änderungen im Gesellschafterbestand zustimmen
Gesellschaftsfremde Dritte
- können evtl. durch Kauf eines Gesellschaftsanteils Mitgesellschafter werden
Geschäftsführer
- müssen den Gesellschafteraustritt betreuen
Gesellschafterversammlung
- beschließt über den Umgang mit den ausscheidenden Gesellschaftsanteil
Notar
- kann eine neue Gesellschafterliste kostenpflichtig anfertigen
- muss eine Gesellschafterliste und die Unterschrift des Geschäftsführers beglaubigen
- und dann an das Handelsregister elektronisch übermitteln
Handelsregister
- veröffentlicht die neue Gesellschafterliste
Gericht
- wird bei Streitigkeiten über den Ausschluss von Gesellschaftern herangezogen
Zahlfaktoren
- Kündigungsfristen
- Kündigungstermine
- Frühester Kündigungstermin
- Mitteilungsfrist an alle Mitgesellschafter
- Abfindungsbetrag für scheidenden Gesellschafter
- Wert des Unternehmens
- Ratenzahlung
- Vorzeitige Zahlung
Checkliste
Schritt 1: Klären Sie, welcher der 3 möglichen Grund-Alternativen vorliegt!
Schritt 2: Ausspruch der Kündigung durch den Gesellschafter
Schritt 3: Beachtung einer Frist und eines Termins
Schritt 4: Form der Kündigung
Schritt 5: Antwort der Geschäftsführung
Schritt 6: Verhalten der verbleibenden Gesellschafter
Schritt 7: Abtretung nach Fortführung der Gesellschaft
Schritt 8: Vorgehensweise in der Gesellschafterversammlung
Schritt 9: Feststellung des Abfindungsbetrages
Schritt 10: Einreichung einer berichtigten, notariell beglaubigten Gesellschafterliste über den Notar beim Amtsgericht
Muster
Gesellschaftsvertrag: Formulierung einer Kündigungsmöglichkeit
„§ X
Kündigung eines Gesellschafters
Jeder Gesellschafter kann die Gesellschaft mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Geschäftsjahres, jedoch erstmals zum …. kündigen.
Die Kündigung ist durch eingeschriebenen Brief an die Mitgesellschafter und die Geschäftsführung zu erklären.
3.
Für die Einhaltung der Kündigungsfrist ist der Zugang des Kündigungsschreibens bei der Geschäftsführung entscheidend.
4.
Die Geschäftsführung ist verpflichtet, die Kündigung binnen 4 Wochen nach Zugang durch Rundbrief allen übrigen Gesellschaftern mitzuteilen.
5.
Wird die Gesellschaft gekündigt, so wird die Gesellschaft aufgelöst, wenn nicht die übrigen Gesellschafter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen.
6.
In diesem Fall ist der kündigende Gesellschafter verpflichtet, den Geschäftsanteil nach Wahl der Gesellschafter ganz oder teilweise an die Gesellschaft selbst, an einen oder mehrere Gesellschafter oder an einen oder mehrere von der Gesellschaft zu benennende Dritte abzutreten oder die Einziehung des Anteils zu dulden.
7.
Bei der entsprechenden Beschlussfassung hat der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht.
8.
Ab dem Zeitpunkt der Fassung des Fortsetzungsbeschlusses ruht das Stimmrecht des kündigenden Gesellschafters insgesamt.
9.
Seine Abfindung bemisst sich nach § X des Gesellschaftsvertrags.“
Kündigungsschreiben des scheidenden Gesellschafters
per Einschreiben
1
Betreff: Kündigung meines Gesellschaftsverhältnisses in der A UG (haftungsbeschränkt)
2
Sehr geehrter Herr Geschäftsführer Y,
Sehr geehrte Gesellschafter X und Z,
3
hiermit kündige ich das mit der oben genannten Gesellschaft bestehende Gesellschaftsverhältnis innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist zum Fristende.
4
Mit freundlichen Grüßen
5
Unterschrift
ausscheidender Gesellschafter